Publikation
Auswirkungen von Extensivierungsmaßnahmen auf Zikaden, Wanzen, Heuschrecken und Tagfalter im Feuchtgrünland
- AutorIn
Achtziger R et al.
- Veröffentlichung
- 1999
- Beschreibung
Im Rahmen von Untersuchungen zur Erfolgskontrolle von Extensivierungsmaßnahmen des bayerischen Vertragsnaturschutzprogramms wurden unterschiedlich bewirtschaftete Feuchtgrünlandflächen auf ihre Fauna hin untersucht: Mehrschürige, gedüngte Wiesen (Intensiv Referenzflächen), Ml- (verspätete Mahd, zweischürig, mit Düngung) M2- (wie M1, jedoch teilweise einschürig und ohne Düngung), M3-Vertragsvarianten (differenziertes Mahdregime ohne Düngung), Brachflächen sowie Streuwiesen (Extensiv-Referenzen). Bearbeitet wurden Zikaden. Wanzen und Heuschrecken (qualitativ und quantitativ, Kescherfänge und Quadratfänge); zusätzlich wurden Transekterfassungen von Tagfaltern durchgeführt. Natur- und artenschutzfachlich bedeutsame Kriterien wie Artenzahl und Anteil spezialisierter Arten sollten als Prüfkriterien dienen, um den Erfolg der Programmvorgaben zu kontrollieren.
Insgesamt konnten 123 Zikaden-, 59 Wanzen-, 18 Heuschrecken- und 20 Tagfalter-Arten festgestellt werden. Die Insektengemeinschaften reagierten mit unterschiedlicher Empfindlichkeit auf Extensivierungsmaßnahmen im Rahmen des Wiesenbrüterprogramms: Innerhalb des Extensivierungsgradienten "Intensivwiese – Vertragsfläche mit Düngung (Ml-Variante) - Vertragsfläche ohne Düngung (M2-Variante) - ungedüngte Vertragsfläche mit differenzierter und z.T. reduzierter Mahd (M3-Variante) - extensiv genutzte Referenzfläche" stiegen die Artenzahlen z.T. signifikant an. Eine differenziertere Betrachtung unterschiedlich stark spezialisierter Artengruppen innerhalb der Zikaden und Heuschrecken ergab, dass mit zunehmender Extensivierung die Anzahlen spezialisierter Arten absolut und relativ zunahmen, die von wenig spezialisierten hingegen leicht abnahmen oder stagnierten. Die Vertragsvariante mit Düngung 1M l) unterschied sich dabei bzgl. Artenzahl und Artenzusammensetzung kaum von konventionell bewirtschafteten Intensivwiesen und erweist sich anhand der hier vorgelegten Daten als uneffizient für den Schutz typischer Feuchtwiesenzönosen. Erste positive - wenn auch statistisch nicht signifikante - Auswirkungen zeigten sich bei Einstellung der Düngung (M2-Variante) und weiterhin nach Reduzierung der Mahd auf höchstens einen Schnitt pro Jahr (M3-Variante). Auch nach maximal zwölf Jahren Vertragslaufzeit waren jedoch noch deutliche Unterschiede zu den von jeher extensiv bewirtschafteten Streuwiesenresten (Extensivkontrollen) zu verzeichnen. Auf den Brachen nahmen die Artenzahlen zwar nicht weiter zu. Doch zeichneten sie sich durch eine Reihe spezialisierter Arten aus, die auf diese Vertragsvariante beschränkt war. In stark entwässerten Gebieten stellten sich nach der Extensivierung Bewohner eher trockener Lebensräume in. Eine Regenerierung "ursprünglicher" Feuchtwiesenfauna benötigt also mindestens Jahrzehnte und ist in manchen Bereichen ohne Wiedervernässung unmöglich.
Eine Ordinierung der Daten der Zikaden, Wanzen und Heuschrecken zeigte, dass zwischen den Artenspektren auf lntensivwiesen, M1- und M2-Flächen nur geringe Unterschiede bestehen und dass die stärkste Veränderung hin zu einer Feuchtwiesenfauna nach Beendigung der Düngung und Reduktion der Mahd auf einen Schnitt pro Jahr (bzw. alle zwei Jahre) erfolgt. Die Zikaden- und Wanzenfauna der Brachen unterscheidet sich deutlich von derjenigen aller anderen Flächen und entwickelt sich offenbar in eine andere Richtung. Vermutlich würden sich hier langfristig Bewohner von Ufern und Bruchwäldern etablieren. Gefährdete Arten waren bei Zikaden und Wanzen ausschließlich, bei Heuschrecken und Tagfaltern weitestgehend auf M3-Flächen. Brachen und Extensivreferenzen beschränkt, d.h. die Mehrzahl der Verträge (Ml und M2) konnte keinen wesentlichen Beitrag zum Schutz dieser Arten leisten.
Nach Analyse der Auswirkungen der Mahd auf Zikaden und Wanzengemeinschaften konnten die häufig in der Literatur dokumentierten Bestandseinbußen wiesenbewohnender Tiere unmittelbar nach einem Mahdereignis bestätigt werden; insbesondere die im Vergleich zu den Zikaden weniger mobilen und größerwüchsigen Wanzenlarven reagierten mit starken Populationsrückgängen. Für eine Wirkung angrenzender Altgras- und Brachstreifen als Rückzugsgebiete konnten Hinweise gefunden werden. Grundsätzlich wird empfohlen, die Bestrebungen zur Extensivierung zu verstärken, wobei Aushagerung durch Düngestopp und Reduktion der Mahd auf einen Schnitt pro Jahr im Mittelpunkt stehen müssen. Je nach Gebiet sollte auch der Anteil von Altgrasstreifen und Brachen erhöht werden. In stark entwässerten Gebieten sollten zumindest Teilbereiche wiedervernässt werden. Leitbild sollte ein Mosaik unterschiedlich und vorwiegend extensiv genutzter Flächen sein. Die im Rahmen einer Vorstudie auf verschiedenen Grünlandflächen montaner Bereiche des Frankenwalds und des Bayerischen Walds untersuchten Zikaden- und Wanzengemeinschaften zeigten ein ausgesprochen heterogenes Bild. das vermutlich auf die größere Diversität hinsichtlich Geologie, Bodenrelief, Mikroklima und Bewirtschaftung zurückzuführen ist.