Publikation

Sommerfrische in den Bergen: Zum jahreszeitlichen Auftreten der Heuschrecken Österreichs

AutorIn

Landmann A

Veröffentlichung
2017
Quelle
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Beschreibung

Die Lebenszyklen von Heuschrecken werden in gemäßigten und gebirgigen Regionen vor allem durch die Wiederkehr ungünstiger klimatischer Bedingungen geprägt. Anpassungen, die den Lebenszyklus synchronisieren, spiegeln sich in der Phänologie einer Art wider, die daher nicht nur aus faunistischer Sicht interessant ist, sondern auch eine allgemeinere und tiefere biologische Aufmerksamkeit verdient. In den letzten zwei Jahrzehnten haben phänologische Daten im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung noch mehr Aufmerksamkeit erlangt. Die Auswirkungen des Klimawandels auf phänologische Reaktionen von Arten und Gemeinschaften sind inzwischen für viele Pflanzen- und Tiergruppen gut dokumentiert. Dennoch fehlen jedoch für mitteleuropäische Orthoptera im Allgemeinen und für Heuschrecken in den Alpen im Besonderen Studien, die Langzeitdaten verwenden und große Datenbestände analysieren. Dieser Artikel bietet eine umfassende Analyse der Phänologie der österreichischen Orthoptera aus verschiedenen Blickwinkeln. Für diese Analyse konnten wir auf einen recht großen Bestand an phänologischen Daten, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, zurückgreifen. Insgesamt liegen mehr als 232.000 Daten vor, 94,7 % davon beziehen sich auf adulte Tieren, 16.000 Daten stehen im Zusammenhang zur Larvenphänologie. Darüber hinaus stammen die meisten unserer phänologischen Daten aus den letzten Jahrzehnten (56.864 aus dem Zeitraum 1980-1999; 173.000 aus den Jahren 2000 bis 2016), was vor allem im Hinblick auf die klimatischen Entwicklungen interessant ist, da die Temperatur in der Zeit nach 1980 in Österreich um etwa 1 °C angestiegen ist (im Vergleich zum globalen Anstieg von etwa 0,5 °C im gleichen Zeitraum).

Im ersten Ergebnisteil dieses Artikels wird ein phänologischer Kalender für 140 Arten der Orthopteren Österreichs vorgestellt. Dieser Kalender stellt für jede Art die Schwerpunktzeiten des saisonalen Auftretens der adulten Tiere auf einer semiquantitativen Skala dar und zeigt darüber hinaus die Zeitspanne der Larvenfunde. Anhand dieser Übersicht werden alle österreichischen Arten vier phänologischen Haupttypen zugeordnet, die die unterschiedlichen Lebenszyklen widerspiegeln: Frühjahrsarten (13 Ensifera, 5 Caelifera), Frühsommerarten (14 Ensifera, 22 Caelifera), Hochsommer Arten (18 Ensifera, 29 Caelifera) und Spätsommer- bis Frühherbstarten (13 Ensifera, 21 Caelifera). Bei Fünf unterirdisch oder in Hohlräumen lebende Ensifera-Arten konnten ganzjährig erwachsene Tiere nachgewiesen werden.

Der zweite Teil des Artikels befasst sich mit der Larvenphänologie, und es werden insbesondere Unterschiede in den Mustern des saisonalen Auftretens der Larven von Gruppen mit unterschiedlichen Lebenszyklen (Decticinae, Gomphocerinae, Tetrigidae, Grylloidea) aufgezeigt.

Im dritten Teil werden die Höhenverschiebungen in der Phänologie von Ensifera und Caelifera analysiert. Wenn die Daten aller Arten kombiniert werden, zeigen beide Gruppen insgesamt eine signifikante Verzögerung von etwa einem Monat (Ensifera) und etwa 20 Tagen (Caelifera) beim Eintritt ins Erwachsenenalter entlang eines Höhengradienten von unter 250 m bis über 2250 m ü. NN. Dieser Trend ist jedoch nicht verallgemeinerbar, bei Arten, die ein breites Spektrum an Höhenverbreitung aufweisen, ist er nicht vorhanden. Bei solchen "Höhenprofil-Generalisten" wurde eine signifikante Abnahme des Zeitpunktes des Auftretens der adulten Tiere in Abhängigkeit von der Höhe nur vom Tiefland bis zu den montanen Höhenlagen nachgewiesen. Bei diesen Arten waren keine oder nur schwache Verzögerung des saisonalen Auftretens der adulten Tiere in höheren Lagen zwischen montanen und alpinen Lagen feststellbar.

Ähnliche widersprüchliche Effekte ergaben sich, als die Veränderungen in der Phänologie über die letzten 35 (für ausgewählte Gruppen) bis 50 Jahre (für gepoolte Daten beider Unterordnungen) im letzten Teil dieses Artikels analysiert wurden. Auch hier zeigten Ensifera und Caelifera (wenn die Daten aller Arten kombiniert werden) eine ausgeprägte phänologische Entwicklung über die letzten 50 Jahre, die zumindest für die letzten etwa 25 Jahre statistisch signifikant ist (Vorverlegung um etwa 3 bis 5 Tage von den 1990er Jahren bis zum jüngsten Zeitraum 2009-2016). Allerdings ist bei ausgewählten "Höhen-Generalisten" der Unterfamilien Decticinae (5 Arten) und Gomphocerinae (7 Arten) dieser Trend jedoch nur in niedrigeren Höhenlagen (unter 500 m ü. NN) signifikant, in mittleren und höheren Lagen (750 bis 1250 m bzw. über 1500 m ü. NN) ist er komplizierter und uneinheitlicher. Dagegen zeigte die thermophile Feldgrille Gryllus campestris einen signifikanten phänologischen Fortschritt mit einer Verschiebung des Medians aller saisonalen Daten um fast 3 Wochen von dem Zeitraum 1980-1999 bis zum aktuellen Zeitraum 2009-2016, nur in höheren Lagen (über 750 m ü. NN), aber uneinheitliche Trends im Flachland (unter 500 m).

Letztendlich sind bei den Daten zu den jahreszeitlichen Extremen im Laufe der letzten Jahrzehnte deutlichere Veränderungen zu erkennen. Seit den 1980er Jahren bis heute ist für die 30 häufigsten und am weitesten verbreiteten österreichischen Ensifera (10 Arten) und Caelifera (20 Arten) ein klarer Trend zu einem früheren Auftreten im Frühjahr und späterem Verschwinden der adulten Tiere im Herbst nachweißbar. Dies könnte in erster Linie auf den Anstieg der Frühjahrs- und Herbsttemperaturen sowie auf weniger strenge und kürzere Winter zurückzuführen sein. Insgesamt warnen unsere Ergebnisse jedoch davor, dass Heuschrecken auf die Klimaerwärmung in ihrer Phänologie einheitlich reagieren.