Blauflügelige Oedlandschrecke
Oedipoda caerulescens
Leitart und Maßnahmen:
Oedipoda caerulescens ist in Bayern weit verbreitet und in geeigneten Habitaten auch häufig anzutreffen. Die Blauflügelige Oedlandschrecke ist eine Leitart für trockenwarme Kulturlandschaften, für extensiv genutzte Weiden mit offenen, trockenen und gut besonnten Bodenstellen und für Ruderalflächen. Die Art profitiert von der Entfernung von Pioniergehölzen und dem offenhalten von Störstellen wie z.B. Hohlwegen, Abbaugebieten oder auch Bahndämmen.
Schutzstatus: Die Blauflügelige Ödlandschrecke ist in Bayern gefährdet, in Deutschland steht sie aktuell auf der Vorwarnstufe.
Entwicklungszyklus:
Imagines erscheinen im Juni und sind bis in den Oktober hinein anzutreffen. Die Überwinterung erfolgt im Eistadium, die Eier werden in den oft nur spärlich bewachsenen Boden abgelegt. Die Larven gleichen den adulten Tieren, sind aber deutlich kompakter. O. caerulescens ist sehr wärmeliebend, dazu auch gut flugfähig. So besiedeln sie als „Pionierart“ schnell großflächige Störstellen, aber auch konstant in stabilen Populationen, Magerrasen, Heiden und Abbaustellen.
Vorkommen und Bedeutung im LK Wunsiedel:
Oedipoda caerulescens ist im Fichtelgebirge als wärmeliebende Art eher selten, findet aber in Habitaten mit warmen Mikroklima, vor allem im östlichen Teil des Landkreises gute Bedingungen. Aufgrund ihrer guten Flugfähigkeit und der Klimaerwärmung kann sie sehr schnell neue Gebiete besiedeln. Wichtig im Lebensraum sind größere Flächen mit geringer oder fehlender Vegetation.
Körperbau:
15-21 mm, Grundfarbe sehr variabel, im Larvenstadium von Häutung zu Häutung veränderbar. Meist auf dem Boden sehr gut getarnt. Flügel mit zwei dunklen Querstreifen. Schienen der Hinterschenkel meist graublau mit schwarzen Dornen. Oberkante der Hinterschenkel mit Abstufung in der Mitte („Oedipodenstufe“). Halsschild mit deutlichem und hohem Mittelkiel.
Gesang:
Leise, knackende Mandibellaute bei beiden Geschlechtern. Der eigentliche Gesang ist ein leiser Schwirrton, der nur sehr selten vorgetragen wird.
Literatur:
Fischer J et al. (2020) Die Heuschrecken Deutschlands und Nordtirols: Bestimmen – Beobachten – Schützen (Verlag Quelle & Meyer Bestimmungsbücher)
https://www.researchgate.net/profile/Andreas-Zehm/publication/308416210_Die_Heuschrecken_Deutschlands_und_Nordtirols/links/57e3cdbb08ae112d973bbf63/Die-Heuschrecken-Deutschlands-und-Nordtirols.pdf
Baur B et al. (2017) Dynamics of Reintroduced Populations of Oedipoda caerulescens (Orthoptera, Acrididae) over 21 Years, J Insect Sci 17(1): 1-7.
https://doi.org/10.1093/jisesa/iew102
Im Rahmen von Naturschutzprogrammen werden zunehmend Tiere wieder angesiedelt, die sich sonst nicht in wiederhergestellten Lebensräumen ansiedeln würden. Wir haben den langfristigen Erfolg eines Projekts bewertet, bei dem der Blauflügelige Oedlandschrecke, Oedipoda caerulescens (L., 1758), in einem Naturschutzgebiet in der Nordwestschweiz, einem Schottergebiet, wo die Art in den 1960er Jahren ausgestorben war, wieder angesiedelt wurde. Im Sommer 1995 setzten wir 110 Individuen (50 Weibchen und 60 Männchen) und 204 Individuen (101 Weibchen und 103 Männchen) in zwei wiederhergestellten Kiesflächen mit spärlicher Vegetation aus. Wir haben die Populationsgröße von O. caerulescens in den Jahren 1995-2004 und 2015-2016 mit Hilfe von Transektzählungen ermittelt. An beiden Freisetzungsorten blieben die Populationen bestehen und vergrößerten sich erheblich. Individuen, die einem neu geschaffenen Korridor folgten, gründeten vier neue Teilpopulationen. Sieben Jahre nach der Wiederansiedlung hatte O. caerulescens in der Umgebung der Freisetzungsorte und in den vier kolonisierten Flecken eine hohe Abundanz erreicht, was auf ein erfolgreiches Projekt hindeutet. Gleichzeitig wurde der Ausbreitungskorridor zunehmend von dichter Vegetation überwuchert. Erhebungen 20 und 21 Jahre nach der Einführung zeigten, dass die Abundanz der Blauflügeligen Oedlandschrecke in den etablierten Teilpopulationen stark und in den ursprünglichen Freilassungsgebieten mäßig zurückgegangen war. Dies ist auf die natürliche Sukzession des Lebensraums und das Fehlen von Störungen zurückzuführen, wodurch sich die für die Art geeignete Fläche um 59 % verringerte. Unsere Studie zeigt, dass Wiederansiedlungen ohne die Integration eines langfristigen Habitatmanagements (im vorliegenden Fall Erhaltung des offenen Bodens) mit hoher Wahrscheinlichkeit keine langfristigen Erfolgsaussichten haben.
Jürgen Fischer, Wunsiedel