Ziele

Das Projekt InseGdA setzt sich für die Insektenvielfalt ein!

Das Eger- und Röslautal im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge sind Teil des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 (Flora-Fauna-Habitat Gebiets-Nr. 5838-302) und gehören zu den bedeutendsten naturnahen Flusslandschaften Bayerns. In beiden Fließgewässern und den angrenzenden Auenflächen finden sich vielfältige Lebensraumtypen. Kennzeichnend ist ein breites Spektrum von nass bis trocken, von offen bis bewaldet (Schlumprecht 2010). Trotz großer Schutzgebietsanteile im Einzugsgebiet von Eger und Röslau ist der Rückgang der Insektenpopulationen deutlich erkennbar.

Im Projekt InseGdA werden Konzepte zur Bewirtschaftung und Pflege der Gewässer und Auenflächen entlang der Eger und Röslau entwickelt und umgesetzt, die die Lebensraumbedingungen für die Insekten verbessern und so die Insektenvielfalt erhöhen. Außerdem wird die Maßnahmenumsetzung im Projektgebiet von einer breiten Öffentlichkeitsarbeit begleitet, um über die Biologie der Insekten, ihre Bedeutung und ihren Schutz zu informieren. Zur Realisierung dieser Ziele wird InseGdA im Bundesprogramm Biologische Vielfalt (BPBV) gefördert. Das BPBV unterstützt seit Anfang 2011 die Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt und trägt dazu bei, dem dramatischen Rückgang der Artenvielfalt entgegenzuwirken.

InseGdA wird vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie vom Bayerischen Naturschutzfonds und von der Stiftung Natur- und Kulturlandschaft Fichtelgebirge des Fichtelgebirgsvereins gefördert. Projektträger ist der Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge. Die Projektlaufzeit erstreckt sich von August 2020 bis Juli 2026.

Aufwertung auetypischer Lebensräume

Der unzureichende Verbund von Gewässer und Aue im Einzugsgebiet von Eger und Röslau stellt eine große Herausforderung dar. Strukturverarmungen in Fließgewässern führen zu einem Verlust an Feuchtlebensräumen und an besiedelbaren Hartsubstraten. Auf den Auenflächen steht der Strukturverlust häufig mit einer intensiven Bewirtschaftung im unmittelbaren Zusammenhang. Die Lebenszyklen vieler Insekten werden dadurch nachhaltig unterbrochen. Rückzugsgebiete stellen Gewässerrandtreifen dar, deren Breite gesetzlich geregelt ist (StMUV 2020). Der Fokus unserer Maßnahmen liegt daher auf einer engen Verzahnung der Gewässer und der angrenzenden Auenflächen. In den Gewässern soll vor allem die Strukturvielfalt erhöht werden, in den Auenflächen soll eine insektenfreundliche Grünlandbewirtschaftung realisiert werden. Ziel ist ein räumlicher Verbund aquatischer und terrestrischer Lebensräume und die Steigerung der Lebensraumqualität für eine hohe Diversität auetypischer Insektenarten. Die Wirkung der Maßnahmen wird auf naturwissenschaftlicher und sozioökonomischer Ebene begleitend erfasst, um modellhafte Erkenntnisse und Erfahrungen bundesweit übertragen zu können (Lüderitz 2010, Scheffler 2020, Schuch 2020).

Die Gründe für den Insektenrückgang sind vielfältig

In Mitteleuropa hat vor allem die extensive landwirtschaftliche Nutzung viele offene Lebensräume mit einer hohen räumlichen und zeitlichen Strukturvielfalt geschaffen. In der Folge haben in den vergangenen Jahrhunderten hier viele eingewanderte Tier- und Pflanzenarten eine neue Heimat gefunden und zu einer hohen Artenvielfalt beigetragen (Poschlod 2014). Diese Artenvielfalt geht seit Einsetzen der Industrialisierung und der Intensivierung der Landwirtschaft kontinuierlich zurück (Hallmann 2017). Als Hauptgründe für den weltweit beobachteten Insektenrückgang werden der Verlust spezifischer Lebensräume, die Verstädterung, der übermäßige Eintrag von synthetischen Pestiziden und Düngern in die Umwelt sowie der Klimawandel angesehen (BMU 2018, Ries 2019, Sánchez-Bayo 2019). Viele Ursachen für den derzeitigen Artenrückgang haben langfristige Auswirkungen und sind kurz- und mittelfristig nur schwer umkehrbar.

Insektenrückgang auch durch Selektion aufgrund unflexibler Pflegekonzepte

Abb. 1: Gegenüberstellung des Lebenszyklus des Schachbrettfalters mit der Mahdsaison vieler Grünlandflächen.

Förderprogramme zum Erhalt der Kulturlandschaft und für Maßnahmen im Naturschutz beinhalten oft unflexible Bewirtschaftungsmuster für Grünlandflächen. So wurden in den 80er Jahren Vorgaben eingeführt, die im Kern eine Grünlandnutzung nicht vor dem 15. Juni beinhalteten. Dies zielte auf den Schutz gefährdeter Pflanzengesellschaften und der Gelege von Wiesenbrütern ab. Hauptsächlich aufgrund der leichten Umsetzung fand dieses Bewirtschaftungsmuster bald sehr breite Anwendung (Reiter 2004). Im Laufe der Zeit wurden jedoch die Nachteile dieses einheitlichen Bewirtschaftungsmusters deutlich. Verschiedene Förderprogramme haben daraufhin eine Diversifizierung der Schnittzeitpunkte erfahren. In der Praxis werden diese Programme aber eher selten angewendet. So werden z.B. viele Grünlandflächen der Aue bei entsprechender Witterung ab Mitte Juni bis in den November hinein genutzt. Eine einheitliche Anwendung derartiger Muster über Jahrzehnte hinweg übt einen sehr starken Selektionsdruck auf die in diesen Lebensräumen vorkommenden Tier- und Pflanzenarten aus. Das Prinzip der Selektion auf Arten, deren Lebenszyklen von diesem hauptsächlich angewendeten Bewirtschaftungsmuster nicht beeinträchtigt werden, kann sehr gut am Beispiel des inzwischen sehr häufig vorkommenden Schachbrettfalters (Melanargia galathea) veranschaulicht werden: Die Weibchen legen im Sommer ihre Eier ungezielt in Wiesen mit mehr oder weniger dichter Vegetation ab. Die kurz darauf aus den Eiern schlüpfenden Larven ziehen sich in Bodennähe zurück, wo sie von der Mahd unbeeinträchtigt bleiben und überwintern. Im darauffolgenden Frühjahr ernähren sich die Larven von verschiedenen Gräsern und schließen ihre Entwicklung mit Beginn der Mahdsaison zum erwachsenen Schmetterling ab (Abbildung 1).

Abb. 2: Imaginalzeiten verschiedener Langfühler- (Ensifera) und Kurzfühlerschrecken (Caelifera) Deutschlands und Nordtirols (nach Fischer 2020).

Die Lebenszyklen anderer Tagfalterarten, deren Larven sich z.B. in den Sommermonaten entwickeln und verpuppen, können allerdings nachhaltig gestört werden. Obgleich alle rezenten Insekten in ihren unterschiedlichen Entwicklungsstadien das ganze Jahr über vorkommen, treten die meisten Insekten, wie z.B. Heuschrecken, in ihrer geflügelten und fortpflanzungsfähigen Entwicklungsstufe, der Imago, für die meisten Beobachter erst ab den Sommermonaten in Erscheinung (Fischer 2020, Landmann 2017, Abbildung 2). Konsequenterweise muss bei Bemühungen zum Erhalt der Insektenvielfalt der vollständige Lebenszyklus möglichst vieler Insektengruppen berücksichtigt werden.

Lösungsansatz zur Insektenvielfalt: Blick zurück oder in die Zukunft oder beides?

Veränderung der Umweltbedingungen gelten als eine Triebfeder der Evolution bei der Entstehung neuer Arten und beeinflussen maßgeblich das Artenspektrum in einem Lebensraum (Baronchelli 2013, Bürger 1995, Salamin 2010). Kann sich eine Art nicht anpassen so stirbt sie aus. Um dies zu verhindern, muss die genetische Vielfalt in einer Population möglichst groß, sowie die Mutationsrate und die Populationsgröße ausreichend hoch sein (Bell 2008).

Bei der Mutationsrate (Anzahl der Mutationsereignisse pro Generation) und deren Bedeutung bei der Anpassung einer Art an veränderte Umweltbedingungen spielt der Zeitfaktor (Generationszeit vs. Geschwindigkeit der Veränderung der Umweltbedingungen) eine entscheidende Rolle. Werden z.B. in einem Mastbetrieb häufig Antibiotika eingesetzt, so können die dort vorkommenden Mikroorganismen aufgrund ihrer teilweise extrem kurzen Generationszeiten von manchmal weniger als einer Stunde, ihrer extrem hohen Populationsgrößen und den damit verbundenen hohen Mutationsraten und ihrer Fähigkeit zu horizontalem Gentransfer sehr schnell und effektiv Antibiotikaresistenzen entwickeln (Christy 2018, Davies 2020, Slayers 2006). Manche Insekten haben Generationszeiten von nur wenigen Tagen, die meisten bilden innerhalb eines Jahres aber nur eine oder maximal zwei Generationen aus. In Kombination mit den oft geringen Populationsgrößen ist für sie die Gefahr des Aussterbens bei sich sehr schnell verändernden Umweltbedingungen sehr groß. Viele Insektenarten können sich einfach nicht schnell genug anpassen.

Neben dem Verlust der Lebensräume und der stark vereinheitlichten Bewirtschaftungsmuster gehen einige Studien davon aus, dass auch die Klimaerwärmung, eine sich aktuell relativ schnell verändernde Umweltbedingung, wesentlich zum Rückgang der Insektenvielfalt beiträgt (BMU 2018, Ries 2019, Sánchez-Bayo 2019). Insekten sind ektotherme Lebewesen, deren Körpertemperatur und damit ihre Aktivität vor allem durch die Umgebungstemperatur bestimmt wird. Im Laufe der Evolution haben sich Insekten physiologisch teilweise sehr eng an eine bestimmte Umwelt und Klimabedingung angepasst. Im Gegensatz zu den Insekten der Tropen sind die Insektenarten der gemäßigten Klimazonen, wahrscheinlich aufgrund ihrer besseren Anpassung an relativ stark wechselnde Bedingungen wie z.B. der teils extrem ausgeprägten Jahreszeiten, allerdings wohl weniger sensibel gegenüber einer Veränderung des Klimas (Bale 2010, Halsch 2021, Deutsch 2008).

Letztendlich wird der zu erwartende Anstieg der Durchschnittstemperaturen in vielen Regionen der Welt allerdings nachhaltige Veränderungen der Insektengesellschaften zur Folge haben (Abbildung 3):

1. Populationen zeigen starke Wanderbewegungen,

2. Die Anzahl der Generationen pro Jahr nimmt zu,

3. Die Extreme von Populationsexplosionen und -zusammenbrüchen nehmen zu und

4. Die trophischen Interaktionen zwischen Pflanzen, ihren herbivoren Fraßinsekten und wiederrum deren Fressfeinde unter den carnivoren Insekten nehmen zu (Lehmann 2020, Altermatt 2010, Stange 2010, Kingsolver 2011, Pfeifer 2012).

Teilweise können diese Phänomene auch im nordöstlichen Teil Oberfrankens beobachten werden. Hoch spezialisierte Tagfalter wie z.B. der Goldene Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) sind lokal vom Aussterben bedroht, während sich andere Tagfalter wie z.B. der generalistische Schachbrettfalter sehr gut etablieren. Auch bei anderen Insektengruppen, wie z.B. Wildbienen, lassen sich über die vergangenen Jahrzehnte hinweg Veränderungen im Artenspektrum beobachten. Wurden bei Kartierungen im Frankenwald und im Fichtelgebirge in früheren Jahrzehnten hauptsächlich Vertreter der sehr gut an die kälteren Klimazonen angepassten Hummeln (Bombus spp.) nachgewiesen, so findet man heute in diesen Regionen immer öfter auch wärmeliebende Arten, wie z.B. die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornuta.

Wir sind daher davon überzeugt, dass wir bei den Maßnahmen, die eine hohe Insektenvielfalt zum Ziel haben, einerseits bestehende Lebensräume erhalten müssen, aber gleichzeitig einem sich verändernden Artenspektrum nicht im Weg stehen dürfen.

Abb. 3: Populationsdynamische Reaktionen von Insekten auf den durch die Klimaerwärmung bedingten Anstieg der Durchschnittstemperaturen: (a) Die Populationen zeigen starke Wanderbewegungen. (b) Die Anzahl der Generationen pro Jahr nimmt zu. (c) Die Extreme von Populationsexplosionen und -zusammenbrüchen nehmen zu und (d) Die trophischen Interaktionen zwischen Pflanzen, ihren herbivoren Fraßinsekten und wiederrum deren Fressfeinde unter den carnivoren Insekten nehmen zu (Abbildung nach Lehmann 2020).

Unser Ziel: Landwirtinnen und Landwirten eine flexible Bewirtschaftung ermöglichen und im Verbund mit strukturreichen Fließgewässern und Auen die Insektenvielfalt erhalten

In dem von uns angestrebten Modell eines flexiblen Bewirtschaftungsmosaiks sollen wiederkehrende Muster vermieden und der Selektionsdruck auf die Insekten reduziert werden (Abbildung 4). Die Landwirtschaft hat durch die ehemals extensive Flächenbewirtschaftung die große Artenvielfalt erst ermöglicht. Aus Gesprächen wissen wir, dass vielen Landwirtinnen und Landwirten eine große Artenvielfalt sehr am Herzen liegt, und sie unter anderem auch durch eine flexible Bewirtschaftung der Grünlandflächen ihren Teil dazu beitragen wollen. In verschiedenen Förderprogrammen werden sie aber z.B. zur jährlichen Mahd verpflichtet. Vor allem bei Auenflächen hängt die notwendige Bewirtschaftung stark von den klimatischen Bedingungen ab. So ist das Auengrünland in heißen niederschlagsarmen Sommern eine wichtige Futterquelle für Viehbestände, wohingegen in kalten nassen Sommern auf eine Mahd gänzlich oder zumindest in Teilen verzichtet werden kann. Zusammen mit der Landwirtschaft wollen wir folgende Ziele erreichen: Etablierung eines Bewirtschaftungsmosaiks mit einer Mahd zu unterschiedlichen Zeitpunkten, Verzicht der Mahd auf ganzen oder Teilflächen für einzelne oder mehrere Vegetationsperioden und Einsatz insektenfreundlicher Mahdmethoden. Die Landwirtinnen und Landwirte sollen die Bewirtschaftung nach Bedarf steuern können. Das setzt eine Entbindung von einer verpflichtenden Mahd bei gleichzeitiger Förderung des flexiblen Bewirtschaftungssystems voraus.

Abb. 4: Modell eines flexiblen Bewirtschaftungsmosaiks (links) im Gegensatz zu dem immer noch häufig angewendeten starren Bewirtschaftungsmuster (rechts), welches einen hohen Selektionsdruck auf die Tier- und Pflanzenarten im Auengrünland ausübt.